Ohrringe – am besten schon beim Baby?

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Hallo,

ich habe gehört, dass man Ohrlöcher am besten so früh wie möglich stechen lassen sollen, weil die Kinder so am wenigsten davon mitbekommen. Nun habe ich bei meinem Kinderarzt nachgefragt und der hat mir gleich ein richtig schlechtes Gewissen gemacht. So nach dem Motto, das sei ja Körperverletzung und warum ich meinem Kind solche Schmerzen zufügen möchte.

Bin ich eine Rabenmutter, wenn ich meinem Kind Ohrlöcher stechen lassen möchte? Gibt es den richtigen Zeitpunkt dafür?

Liebe Grüße,

Sandra

 

 

Liebe Sandra,

das Thema Ohrringe ist eines, das Eltern in zwei Lager teilt: Die einen, die dafür sind und die anderen, die es ablehnen. Immer wieder entfachen um dieses Thema große Diskussionen, wie auch etwa 2012 in Deutschlang, als Eltern eine Klage eingereicht haben. Grund dafür war, dass nicht wie vereinbart das Ohrläppchen gestochen wurde, sondern zu weit am Knorpel und der Verantwortliche für die entstandenen Schmerzen für das Kind 70 Euro Schadensersatz zahlen musste.

Doch ist Ohrloch stechen tatsächlich Körperverletzung? Machen sich Juweliere und Ärzte strafbar, wenn sie dem Wunsch der Eltern nachkommen? Und machen sich auch die Eltern strafbar, wenn sie bei ihrem Baby Ohrlöcher stechen lassen?

Ohrloch stechen – die rechtliche Lage

Fakt ist: Ein Ohrloch zu stechen beeinträchtigt die körperliche Integrität und es stellt eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar – genau dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt das Kriterium der Körperverletzung nach § 83 StGB (Strafgesetzbuch).

Dazu kommt noch: Weil es sich beim Durchstechen des Ohrläppchens um keine Heilbehandlung handelt (die wäre von der Körperverletzung ausgenommen) und der Gesundheitszustand nicht verbessert wird, trifft der Tatbestand der Körperverletzung zu.

Körperverletzungen können jedoch gerechtfertigt sein (§ 90 StGB), aber: Dieser Paragraph tritt nur in Kraft, wenn die betreffende Person einwilligungsfähig ist. Das bedeutet, sie muss ausreichend einsichts- und urteilsfähig sein, um die Folgen der Körperverletzungen abschätzen und beurteilen zu können. Dazu muss eine umfassende Aufklärung im Vorfeld geschehen. Bei Personen ab 18 Jahren ist die Einwilligung in solche Eingriffe wie dem Stechen eines Ohrlochs kein Problem. Auch mündige Minderjährige ab Vollendung des 14. Lebensjahres sind ausreichend einwilligungsfähig. Im Falle des Ohrlochstechens wird bei Kindern ab den Vorschulalter eine ausreichende Einwilligungsfähigkeit angenommen, sodass sie dann selbst darüber entscheiden können.

Entfallen kann die Strafbarkeit auch, wenn das 4-5-jährige Kind den Wunsch äußert und die Eltern dem Eingriff zustimmen – allerdings betrifft das Eingriffe, die dem Kindeswohl dienen. Da ein Kind diesen Wunsch bzw. Willen erst mit 4-5 Jahren entfalten kann, entfallen Eingriffe die vor diesem Alter durchgeführt werden, dieser Regelung.

Wer hingegen seinem Baby ein Ohrloch stechen lässt, macht sich strafbar, weil es sich um keine Heilbehandlung handelt, nicht dem Kindeswohl dient und auch das Kind nicht selbst darüber entscheiden kann.

Das ist die Rechtslage, die in Österreich gilt. Ich weiß nun nicht, wie alt dein Kind ist.

Es gibt jede Menge Gründe, die dagegen sprechen, seinem Kind Ohrlöcher stechen zu lassen:

  • Infektionsgefahr: Eine Infektionsgefahr besteht immer, wie auch bei Piercings. Und niemand würde seinem Baby ein Piercing stechen lassen, oder? Immerhin kann bei einer Knorpelentzündung das gesamte äußere Ohr verformt oder die Ohrmuschelform kann verloren werden. Auch eine lebensbedrohliche Sepsis kann durch eine Entzündung entstehen.
  • Wachstum: Es kann sein, dass sich das Ohrloch nach einigen Jahren nicht mehr an der richtigen Stelle befindet, weil das Ohr noch weiterwächst.
  • Zahnen: Zahnende Kinder greifen sich viel an die Ohren und reißen an ihren Ohrläppchen, weil der Zahnungsschmerz bis ins Ohr ausstrahlt. So kann es passieren, dass sich Kinder die Ohrringe herausreißen.
  • Vergrößerung der Lymphknoten: Das Ohrläppchen wird von einem Lymphgefäß versorgt – so kann es nach dem Ohrlochstechen zu einer Vergrößerung der Lymphknoten am Hals kommen.
  • Akupunkturpunkte: Viele Akupunkturpunkte liegen im Ohr, die mit den inneren Organen in Verbindung stehen. Durch das Ohrlochstechen kann nicht ausgeschlossen werden, dass viele dieser Punkte verletzt werden bzw. verloren gehen.
  • Unfallquelle: Ohrringe stellen eine Unfallquelle dar. Es passiert häufiger als angenommen, dass sich Kinder beim Toben oder beim Sport die Ohrringe rausreißen und teilweise die Ohrläppchen durchtrennen.
  • Verstechen: Es kann passieren, dass die Ohrlöcher verstochen werden – das kann gravierende Folgen haben. Je jünger Kinder sind, desto weniger halten sie ruhig.
  • Freier Wille: Kinder haben viele Wünsche und sie ändern häufig ihre Meinung. Was gestern noch „in“ und „cool“ war, kann morgen „out“ sein. Oder würdest du deinem Kind auch ein Tattoo stechen lassen, nur, weil es das gerade toll findet?
  • Blei in Kinderschmuck: Nicht zu unterschätzen ist auch, dass in Kinderschmuck häufig Blei gefunden wird.
  • Allergie: Die verwendeten Materialien beim Stechen können Allergien hervorrufen, ebenso das Tragen der Ohrringe. Etwa Nickelallergien werden durch den frühzeitigen Kontakt mit Nickel ausgelöst.

Ein Ohrloch zu stechen ist eine Verletzung und man muss sich fragen, ob es das wirklich wert ist. Alternativ gibt es auch Ohrclips für Kinder, magnetische Ohrringe und Ohrringe zum Kleben, die völlig schmerzfrei und gefahrenfrei verwendet werden können.

Vielleicht wartest du noch damit, bis dein Kind selber formuliere und entscheiden kann, ob es selbst gerne Ohrlöcher möchte. Auch wenn dein Arzt eine schmerzlindernde Creme verwendet, spürt dein Kind, dass sein Ohrloch durchstochen wird. Dieser Eingriff ist immer mit Schmerzen verbunden und es ist ein Ammenmärchen, dass kleine Kinder oder Babys davon nichts spüren. Sie spüren es genauso wie du und ich. Ich würde sagen der richtige Zeitpunkt ist dann, wenn dein Kind selbst den Wunsch nach Ohrringen äußert und es versteht, dass es schmerzhaft ist.

Liebe Grüße,

Daniela von welovefamily

 

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