Anschieberitis: Komm, mach weiter!

Warum wir unsere Kinder täglich anschieben

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Kennst du dieses Problem auch? Anschieberitis. Es beginnt schon in der Früh: Du musst dein Kind mehrmals verbal und körperlich daran erinnern, dass es endlich aufsteht, sich anzieht, die Zähne putzt, frühstückt und bitte weiter macht, damit du irgendwie halbwegs pünktlich im Kindergarten, der Schule und/oder in der Arbeit bist. Anschieberitis. „Komm bitte“, „mach weiter“, „beeil dich bitte“, „schnell, wir müssen weiter“, etc. Nur durch ständiges erinnern, ermahnen und anschieben gelingt es dir, denn Tag mit deinem Kind zu bewältigen. So geht das den ganzen Tag. Anschieberitis eben.

 

Die täglichen Herausforderungen einer Mutter

Sie nimmt mich nicht wahr, sie ignoriert meine Anweisungen, sie setzt sich darüber hinweg und wenn sie ihnen doch einmal Folge leistet, dann in einem Schneckentempo, das mich wahnsinnig macht. Das macht mich richtig wütend und sauer, denn ich frage mich: Muss das so sein? Ich wollte doch nie zu einer Mama werden, die den ganzen Tag mit ihrem Kind keppelt. Aber genau das mache ich.

 

Zoom, zoom, zoom

Dann schaue ich genauer hin und sehe eines: Ein Kind, ein Kind, das sich auf sein Spiel konzentriert hat, das vertieft ist. Alles um sie herum scheint in den Hintergrund gerückt zu sein. Sie sieht nur ihr Puzzle, ihr Bild oder ihre Kugelbahn. Sie ist bei sich und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie ist konzentriert, fokussiert und mit Ausdauer bei der Sache – ist es nicht genau das, was ich mir wünsche? Dass sich mein Kind voll und ganz einer Sache widmen kann?

Woher kommt die Anschieberitis?

Ich als Mutter möchte den vielseitigen Ansprüchen an mich gerecht werden: Ich möchte eine gute Mutter sein, ich möchte pünktlich sein, mein Kind rechtzeitig in der Schule abliefern sodass es noch Zeit zum Ankommen hat, es in die Arbeit schaffen. Es ist meine Aufgabe, meinen Alltag zu managen – so gut ich kann. Daher kommt aber auch die Anschieberitis. Meine Ziele sind nicht ihre Ziele.

Mein Kind sieht das anders. Mein Kind hat die wunderbare Fähigkeit, sich lange auf eine Arbeit oder Tätigkeit zu konzentrieren und ganz darin aufzugehen. Sie schafft es, ihr Umfeld auszublenden, bei sich und ihrer Beschäftigung zu bleiben. Sie dabei zu beobachten ist wunderbar und faszinierend zugleich. Mein Interesse pünktlich zu sein, kann mein Kind noch gar nicht nachvollziehen oder verstehen, weil es noch ein anderes Zeitgefühl hat. So gibt es immer wieder Situationen, in denen unsere Vorstellungen und Prioritäten nicht zusammenpassen.

Go with the flow vs. Anschieberitis

Für dein Kind gibt es in diesem Moment nichts Wichtigeres – wer sich dessen bewusst ist, kann mit der Situation ganz anders umgehen. Statt dein Kind anzutreiben und gewohnheitsmäßig anzuschieben, es aus der Arbeit zu reißen, nutze die Gelegenheit abzuwägen, ob du noch ein paar Minuten Puffer hast, die du deinem Kind schenken kannst.

Weil Kindern noch das Zeitgefühl fehlt und sie die Uhr noch nicht lesen können, biete ihm an den Wecker oder die Küchenuhr zu stellen und vereinbart: Wenn es klingelt, dann müssen wir weiter. Bis dahin darfst du noch spielen. So bekommt dein Kind einen Orientierungspunkt, der es ihm erleichtert, das Spiel zu beenden.

In vielen Situationen erwische ich mich dabei, dass ich mir den Stress selbst mache. Ob ich nun 10 Minuten oder doch 45 Minuten zum Spielplatz brauche und in der Zwischenzeit Kieselsteine, Blümchen oder andere Wegbegleiter beobachtet, macht doch keinen Unterschied, oder? Vielleicht kannst du die Zeit aufbringen und deinem Kind ein Stück entgegenkommen, damit eure beiden Bedürfnisse im Gleichgewicht sind. So setzt du den ersten Schritt gegen die Anschieberitis.

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1 KOMMENTAR

  1. Wer kennt das leider nicht. In der heutigen Zeit geht es drunter und drüber. Kaum Zeit für irgendwas und ich denke wir vergessen oft das Kinder noch kein zeitgefühl haben. Ich werde versuchen die Welt mit kinderaugen neu für mich zu entdecken. So etwas rüttelt einen wach. Super Artikel!!!