Darum funktionieren „Warum-Fragen“ nicht ….

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Max und Paula spielen in der Sandkiste. Plötzlich läuft Paula tränenüberströmt zu ihrer Mama: „Mama, Mama, der Max hat mich gebissen!“ Darauf springt Max‘ Mama auf und schreit ihren Sohn an: „Warum hast du das gemacht?“

„Darum.“

 

Nicht nur bei grenzüberschreitenden Handlungen neigen Eltern dazu nach dem Warum zu fragen, sondern auch bei ganz alltäglichen Situationen:

Warum hast du nicht aufgegessen?
Warum hast du den Simon gehaut?
Warum hast du schon wieder deine Jacke nicht angezogen?
Warum hörst du nicht?

 

Versuch dich an deine Kindheit zurückzuerinnern: Was lösen diese Fragen bei dir aus?

Ich fühle mich dabei unbehaglich, wie in einem Verhör, ich fühle mich einer Autoritätsperson unterlegen, ich fühle mich verurteilt und erwischt, ich fühle mich schuldig und unverstanden.

 

5 Gründe, warum Warum-Fragen sinnlos sind:

Dabei ist die Warum-Frage bei Kindern sinnlos. Jan –Uwe Rogge erklärt warum:

  1. Solche Fragen sind rückwärts gerichtet, suchen nach Gründen und Ursachen und führen in der Sache schnell zur Selbstanklage oder gegenseitigen Schuldvorwürfen. (S. 164, Wenn Kinder trotzen).

Was heißt aber rückwärts denken?

Ein Beispiel: Das Baby hat die Windel voll. Das nasse Gefühl mag es nicht. Es weint. Und es kommt jemand. Diesen Zusammenhang kann ein Baby verstehen. Würde man ein Baby aber fragen, warum jemand zu ihm gekommen ist, würde es mit „Weiß nicht“ antworten. Diese Schlussfolgerung, dass jemand kam weil es geweint hat, weil die Windel voll war, schafft es noch nicht. Dazu sind Kinder erst im Volksschulalter fähig.

  1. Warum-Fragen sind nicht dazu geeignet, die Motive der Grenzüberschreitung zu erfahren oder das Kind zur Mitarbeit zu motivieren. Mit der Warum-Frage sind Kinder schlichtweg überfordert. Sie können nicht anders als „Darum“ oder „Weiß nicht“ zu antworten.
  2. Warum-Fragen schaffen eine Situation, in der sich das Kind, verhört fühlt und meint, sich rechtfertigen zu müssen. Dass viele Erwachsene dieses Rechtfertigkeitsgefühl noch immer in sich tragen und sich durch „Warum-Fragen“ in die Ecke gedrängt fühlen, rührt von den bohrenden „Warum-Fragen“ der Eltern aus der Kindheit. Machen wir es doch besser.
  3. Das Problem mit den Warum-Fragen ist, dass es keine finale Antwort gibt. So wie Kinder, können auch Erwachsene auf eine Antwort sofort wieder mit einer Warum-Frage reagieren. Eine Warum-Frage unterstellt immer, dass der „Täter“ planlos und unreflektiert vorgegangen ist.
  4. Kinder sind mit einer „Warum-Frage“ komplett überfordert. Sie sind erst im Volksschulalter dazu in der Lage, ihr Verhalten zu reflektieren und ihre Beweggründe klar darzulegen. Eltern müssen also Fragen stellen die dazu geeignet sind, das Ziel des Kindes aufzudecken. Bei jungen Kindern können Eltern davon ausgehen, dass sie durch ihr Fehlverhalten ein bestimmtes Ziel erreichen wollen und nicht das Fehlverhalten das Ziel war. Vielleicht wollte Max alleine spielen oder die Schaufel von Paula haben. Genau diese Aufgabe haben nun die Eltern, die versuchen müssen, über geeignete Fragen das Ziel herauszufinden, ohne eine vermeintliche Antwort in den Mund zu liegen.

Für Eltern ist das wichtig zu verstehen: Wenn dein Kind auf eine Warum-Frage mit „Darum“ oder „Weiß nicht“ antwortet, dann möchte es sich damit nicht ärgern. Es weiß es wirklich nicht. Es kann noch gar nicht anders antworten. Dein Kind ist nicht frech oder schlecht erzogen, es ist kognitiv noch nicht in der Lage dazu sich selbst zu reflektieren.

7 Strategien gegen Warum-Fragen und ein Geheimtipp

Zuerst frag dich selbst, warum du „Warum“ fragst: Weil du die Beweggründe deines Kindes wirklich verstehen möchtest, oder? Eben. Dann stell es geschickter an. Es heißt nicht umsonst: Warum, warum, wer so fragt, ist dumm.

  1. „Kann es sein, dass…“: Mit dieser Frage signalisierst du deinem Kind, dass du es wirklich verstehen möchtest und daran interessiert bist, den Grund zu erfahren. Gerade bei jungen Kindern ist diese Fragetechnik sinnvoll, weil sie ihre Gefühle oder Gedanken selbst noch nicht so gut ausdrücken können. Wenn du versucht sie zu verstehen, dann können sie mit „Ja“ oder „Nein“ klar antworten.
  2. Offene Fragen: Ein rhetorisches Element, das viel besser wirkt als Warum-Fragen. Stell deinem Kind offene Fragen, die euch in ein Gespräch bringen.
  3. Wieso ist keine Alternative: Frage nach Wieso, das macht es nicht besser.
  4. Erzähl doch, was passiert ist: Lade dein Kind dazu ein zu erzählen, was passiert ist. Höre zu, frage nach und versuche, das Ziel oder den Beweggrund deines Kindes zu verstehen.
  5. Keine Suggestivfragen, die die Antwort schon beinhalten: Es gefällt dir hier nicht?
  6. Ich-Botschaften: Verurteile dein Kind nicht, sondern sprich beschreibend mit ihm aus deiner Perspektive. Ich habe gesehen, dass……
  7. 5-Why-Methode: Kennst du die 5-Why-Methode? Diese Methode geht auf den japanischen Manager Taiichi Ohno zurück, der meint, man müsse mindestens 5 Mal „Warum?“ fragen, bis man die Ursache gefunden hat. Oft liegt ein Hinweis auf die Ursache oder den Beweggrund in der Antwort.

Geheimtipp: Akzeptiere auch, dass Kinder manchmal einfach Sachen tun, die wir nicht verstehen. Und auch nicht verstehen müssen. Wenn das Kind damit niemandem schadet, dann muss man auch gar nicht danach fragen. Manchmal ist auch Schweigen die richtige Methode.

Warum-Fragen machen klein. Warum-Fragen sind keine Grundlage für eine positive Gesprächssituation und keineswegs eine Fragestellung, die für die Beziehung oder Bindung zweier Personen auf gleicher Augenhöhe förderlich ist. Eine Warum-Frage unterstellt eine Schuldigkeit. Warum-Fragen schaffen Distanz, sie machen klein, sie machen abhängig, sie bringen dich in eine Position, in der du dich rechtfertigen musst. Warum-Fragen vermitteln keine Geborgenheit und nehmen das Kind nicht wahr. Warum-Fragen stehen zwischen dir und deinem Kind.

Wenn sich Eltern Zeit nehmen, auf ihr Kind eingehen und ihm signalisieren, dass sie es ernst nehmen, dann wird sich das Kind verstanden fühlen. Es wird Vertrauen und Selbstvertrauen aufbauen und beginnen, kooperativ mitzuarbeiten.

 

Quellen:
Daniel Siegel: Achtsame Kommunikation mit Kindern: Zwölf revolutionäre Strategien aus der Hirnforschung für die gesunde Entwicklung Ihres Kindes
Marshall B. Rosenberg: Kinder einfühlend ins Leben begleiten: Elternschaft im Licht der GFK
Gundi Gaschler: Ich will verstehen, was du wirklich brauchst

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