Vorurteile Tragen: Was könnte nicht alles passieren…..

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Babys sind Traglinge. Sie werden als Traglinge geboren. Nähe und Körperkontakt sind grundlegende Bedürfnisse eines Babys. Genauso wie Nahrung, Durst, eine frische Windel und Schlaf.

Menschenbabys sind Traglinge und darauf angewiesen, dass sie herumgetragen werden. Das ist für die Eltern anstrengend.

Oft lässt sich das Baby nicht weglegen.

Kaum wird es abgelegt, weint es.

Es braucht die Nähe, um sich wohl zu fühlen.

Doch mit so einem Baby am Arm lassen sich alltägliche Dinge wie ein Glas Wasser einfüllen, kochen oder ein Geschwisterkind betreuen nur schwer erledigen.

Abhilfe schafft hier ein Tragetuch oder eine Tragehilfe.

So ist das Baby immer dabei und du hast die Hände frei.

Du hast Bewegungsfreiheit und dein Baby bekommt das, was es braucht: Nähe und Körperkontakt.

Eine win-win-Situation für euch beide.

Und dennoch schrecken viele Eltern vor dem Griff zum Tragetuch zurück.

Aus Angst, sie würden ihr Baby mit dem ständigen Tragen verwöhnen.

Angst, das Baby bekommt zu wenig Luft im Tragetuch.

Angst, dass es so nicht lernt selbständig zu werden.

Sorge, das Baby könnte in seiner motorischen Entwicklung eingeschränkt werden.

Sorge, das Kind würde auch künftig immer klammern.

Liebe Eltern, Nähe und Körperkontakt sind Grundbedürfnisse deines Babys. Du kannst dein Baby nicht mit etwas Verwöhnen, das es braucht. Je sensibler und feinfühliger du auf die Bedürfnisse deines Babys reagierst, desto selbstbewusster wird dein Kind werden, weil es eine sichere Bindung erfährt. Und ein zu sicher gebundenes Kind gibt es nicht.

Vorurteile: Was könnte durchs Tragen nicht alles passieren…..

  • Die Angst vor dem Verwöhnen

Ein Baby zu tragen ist einfach, gesund und kostet wenig. Eine Trennung von Mutter/Eltern und Baby, wie es mit Teddys mit Herzschlag, umarmenden Händen, Babywippen etc. propagiert wird, ist gut fürs Geschäft, aber nicht für das Baby. Der Teddy soll den Herzschlag der Mutter nachahmen, die Hand soll Nähe und Geborgenheit vermitteln – während das Baby alleine im dunklen Zimmer liegt. Das Ziel dabei ist, den Eltern Freiraum einzuräumen und die Bedürfnisse des Babys zu erfüllen. Oder zumindest versucht. Die Nähe zu den Eltern kann durch keine Maschinen oder Erfindungen ersetzt werden. Nähe ist ein Grundbedürfnis eines Babys, wie Essen und Trinken.

Die Angst, ein Baby mit Nähe zu verwöhnen und es ein stückweit zur Unselbständigkeit zu erziehen, ist  unbegründet. Es muss nicht lernen, alleine einzuschlafen oder alleine zu liegen – es gibt evolutionsbedingt Gründe, warum sich ein Baby nahe am Körper der Mutter oder des Vaters am wohlsten fühlt. Mit dem Tragen im Tuch werden nicht nur das Baby verwöhnt und seine Bedürfnisse gestillt, sondern der/die Tragend/e verwöhnt sich selbst, weil er/sie die Hände frei hat. Diese schöne Formulierung habe ich aus dem Interview mit Jenny und Barbara von den Stadtaffen genommen, weil sie mir gut gefallen hat. Eltern verwöhnen sich  damit, ihr Baby nahe bei sich zu spüren.

Jenny, Trageberaterin bei den Stadtaffen erzählte, dass ihre Tochter mit knapp 2 Jahren eine problemlose Eingewöhnung bei der Tagesmutter erlebte und von Unselbständigkeit oder einem verwöhnten Kind weit entfernt ist. Im Gegenteil: Sie ist eine selbstsichere Person, weil sie weiß, dass sie Rückzug, Nähe und Sicherheit jederzeit bekommt.

  • Sauerstoffmangel beim Kind

Zu diesem Thema wurde von Stening et al eine Beobachtungsstudie durchgeführt, die zeigte und nachwies, dass es keinen klinisch relevanten Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut durch das Tragen und es keine kritischen Werte gab. (Kirkilionis)

  • Tragen führt zu Haltungsfehlern

„Interpretierend bedeutet dies, dass kein signifikanter Unterschied zwischen getragenen und nicht getragenen Kindern hinsichtlich der untersuchten und oben aufgelisteten Eigenschaften besteht. Die Ausbildung von normabweichenden Haltungsvarianten oder Rückenformen sowie Wirbelsäulenpathologien und Halteleistungsinsuffizienzen bleibt vom Tragen in Tragevorrichtungen unabhängig. Der Mythos einer gesundheitsschädigenden Auswirkung desTragens konnte wissenschaftlich nicht belegt werden.“ (Kavruk, S. 92)

  • Mein Baby will nicht getragen werden

Es wäre gegen die Natur des Menschen, würde ein Baby sich weigern, getragen zu werden. Ein System, das uns jahrhundertelang das Überleben sicherte, wird nicht von einem auf den anderen Tag ersetzt und ausgelöscht – zumal Erfindungen wie der Kinderwagen und der Trend, sein Baby wenig körpernah zu transportieren, im Vergleich zur Menschheitsgeschichte sehr jung sind. Ein Baby möchte getragen werden und  manchmal braucht es ein paar Versuche und unterschiedliche Tragemöglichkeiten und Bindeweisen, um die perfekte Möglichkeit für sich und sein Baby zu finden. Nicht zu vergessen ist dabei die kindliche Entwicklung, die verschiedene Phasen durchläuft und das Tragen nicht immer optimal passt. Es kann helfen, eine kleine Tragepause einzulegen und es in einer Woche wieder entspannt versuchen.

  • Vom Tragen wird der Rücken kaputt

Schmerzt der Rücken, dann ist dies kein Zeichen, dass das Kind zu schwer ist, sondern ein Zeichen einer ungeeigneten oder falschen Tragetechnik. Wer beim Tragen Rückenschmerzen hat, sollte sich mit einer Trageberaterin in Verbindung setzen.Normalerweise ist das Gegenteil der Fall: Wer von Geburt an (regelmäßig) trägt, trainiert seine Rückenmuskulatur, die sich dann dem erhöhten Gewicht des Babys und Kleinkindes anpasst. Wer allerdings schon mit einem 12kg-Baby beginnt, wird mit Rückenschmerzen, ähnlich wie aus dem Fitnesscenter, rechnen müssen.

 

Quellen:

Kavruk: Der Einfluss des Tragens von Säuglingen und Kleinkindern in Tragehilfen auf die Entwicklung von Haltungsschäden im Schulkindalter

Eichhorn: Tragen unterstützt die psycho-sensomotorische Entwicklung

Renz-Polster: Tragen aus kinderärztlicher Sicht

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