Von der Zahnarztangst und meinem tapferen Kind

Kind beim Zahnarzt
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Ich gestehe, ich gehöre zu jener Sorte Menschen, die unter Zahnarztangst leiden. Während die einen darüber lachen, ist es für Betroffene ein schwerer Weg. Angstzustände, Panikattacken, Schweißausbrüche stehen vor einem Zahnarztbesuch an. Beim Gedanken an das Bohrgeräusch bekomme ich Gänsehaut, mir wird bei dem Gedanken an den Zahnarzt richtig übel. Lustig ist das nicht.

Umso schlimmer war es für mich, als bei meiner Großen einer ihrer zweiten Zähne waagrecht nach hinten durchs Zahnfleisch durchbrach, während der Milchzahn noch fest an seinem Platz saß. Ich wusste, dass wir nicht drum rum kommen, den Milchzahn reißen zu lassen. Doch wie kann ich als Mutter mit Zahnarztangst und einem beklemmenden Gefühl im Bauch mein Kind durch diese schwierige Situation begleiten?

 

Ein einfühlsamer Zahnarzt

Bereits im zweiten Lebensjahr waren unsere Kinder immer regelmäßig beim Zahnarzt mit. Sie lernten ihn so spielerisch kennen, waren mit den Gegebenheiten vertraut. Weil sie täglich ihre Zähne zwei Mal putzen, gab es auch bisher nur Kontrolltermine – keine Löcher, keinen Zahnstein, immer alles paletti. Wir haben immer sehr darauf geachtet, denn auch Karies bei den Milchzähnen kann sich auf die weiteren Zähne negativ auswirken.

So haben wir anfangs mit einer Fingerbürste die ersten Zähne geputzt. Dann mit einer Zahnbürste und einer kindgerechten Zahnpasta ohne Fluorid, mindestens zwei Mal täglich. Alle Kinder hatten in ihrer „Ich-mach-alles-selber“-Phase den Tick, mehrmals am Tag die Zähne selbst zu putzen. Weil es ihnen Spaß machte. Schon mit drei Jahren haben sie selbst geputzt. Wir haben nachgeputzt (Kinder unter 6 Jahren sind feinmotorisch gar nicht in der Lage, alle Beläge selbst zu entfernen). In unserem Badezimmer hängt ein Zahnputzplakat an der Wand mit einem Ablauf nach KAI – Kaufläche, Außenfläche, Innenfläche, dazu eine bunte Sanduhr, die etwa 3 Minuten läuft (meistens putzen sie ohnedies länger). Mit 6 Jahren stellten wir dann auf elektrische Zahnbürsten mit Kinderaufsatz um und so machte das Zähneputzen gleich noch mehr Spaß.

Doch als wir heute Morgen den Weg zu Zahnarzt antraten wussten wir, dass es anders sein würde. Zum ersten Mal würde der Zahnarzt etwas tun müssen. Darauf haben wir unsere Tochter am Vorabend schonend vorbereitet. Sie entgegnete uns cool: „Hauptsache, der Zahn ist dann raus, damit der andere Platz hat. Der stört so.“ Ganz so cool war sie heute Vormittag nicht mehr, als in ihre Tasche auch ihr Krafttier und das Lieblingskuscheltier wanderten. Ein Zeichen, dass auch sie merkte, dass heute etwas passieren wird.

Den Zahnarzt kannte sie also schon, er ist ein sehr lieber und einfühlsamer Arzt, der immer genau erklärt, was gemacht wird. Und auch nicht verheimlicht, dass es weh tun könnte. Nichts finde ich schlimmer, als wenn Ärzte meinen: „Wirst sehen, das tut nicht weh.“ Und daneben die Spritze in der Hand hält. Klar tut das weh und ich finde, ein Kind hat ein Recht darauf das zu erfahren.

Ein Baby kann zu Beginn seines Lebens die unterschiedlichen Gefühle noch gar nicht deuten und einordnen – es lernt durch Erfahrung und auch durch Erklärungen. Genauso ist es auch bei den Schmerzen. Ich kann meinem Kind nicht jeden Schmerz abnehmen, aber da sein und das Gefühl geben, es ist in Ordnung. Ich kann zwar die Schmerzen nicht verhindern, aber ich kann mein Kind dabei unterstützen, es in den Arm nehmen und trösten. Für diesen einfühlsamen und ehrlichen Zugang sind wir dem Zahnarzt sehr dankbar. Denn es wäre für mich schlimm, würde mein Kind ähnliche Erfahrungen machen müssen und dann ein Leben lang unter der Angst vorm Zahnarzt leiden. Bei mir war es leider so.

 

Der Zahnarztbesuch

Wir haben uns darauf geeinigt, gemeinsam hinzufahren. Während Frau L. behandelt wird, drehe ich mit Frau Schnecke und Minimi ein paar Runden. Nach ein paar Minuten trudelte schon die erste WhatsApp Nachricht ein: „Biene Maja war schon da“.

Herr Bart erzählte mir dann:

So schaute er ihr in den Mund und entschied genau, wie wir dachten: Der Milchzahn muss raus. Er zeigte ihr die Spritze, die er aufgrund der schwarzen und gelben Ringel als Biene Maja bezeichnete und auch sagte, das wird nun ein wenig pieksen. Frau L. hat zwar das Gesicht verzogen, aber nachher gemeint, es tat ihr nicht weh, es kribbelte nur lustig. Sobald die lokale Betäubung Wirkung zeigte, wurde der Milchzahn gezogen und natürlich auf Wunsch von Frau L. eingepackt. Sie erhielt noch eine kleine Kinderzahnpasta als Geschenk. Selbst die Assistentin erkundigte sich bei Frau L., ob sie denn eh wieder käme und sie meinte nur: „Ja, war ja nicht so schlimm.“ Mit Tupfer im Mund.

Keine 20 Minuten später konnte ich mein tapferes großes Mädchen in die Arme schließen. Sie grinste mich voller Stolz an, zeigte mir ihren Milchzahn und meinte: „Ich weiß gar nicht, warum du so Angst vor dem Zahnarzt hast.“ Das erfüllte mein Herz mit Freude, denn wenn es stimmt, so werden wir noch einige Besuche vor uns haben. Denn um eine Zahnspange kommen wir nicht rum. Da kann ich mir von meinem Kind noch eine Scheibe abschneiden. Und vielleicht ist es ja sie beim nächsten Mal, die bei mir dann Händchen hält. Weil ja alles nicht so schlimm ist.

Deine erleichterte Anna

 

 

 

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