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Susanne vom Blog geborgen wachsen veröffentliche einen Artikel, der mir als zweifache-Schulkind-Mama aus dem Herzen sprach und auch die Sorgen aufgriff, die ich beim Übergang vom Kindergarten in die Schule hatte: Haben wir unseren Kindern genug auf ihrem Weg mitgegeben?
Der Übergang vom Kindergarten in die Volksschule war für uns als Familie nicht nur spannend und aufregend, sondern auch anstrengend. In den ersten Wochen waren die Kinder so erschöpft von den vielen neuen Eindrücken, Aufgaben, Regeln und Herausforderungen, dass sie sich nachmittags erstmals ausruhten, bevor wir noch ein wenig auf den Spielplatz oder in den Wald gehen konnten. Die Umstellung war deutlich spürbar – irgendwie waren die Kinder neben der Spur.
Herausforderungen beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule
Wenn ich nun den Schulanfang meiner Kinder Revue passieren lasse, dann waren es im Wesentlichen fünf Punkte, die ihnen die größten Schwierigkeiten bereiteten:
- Sie mussten sich an neue Betreuungspersonen gewöhnen, mit denen es kein langsames Beschnuppern gab ähnlich einer Eingewöhnung im Kindergarten.
- Sie wurden mit vielen anderen unbekannten und neuen Kindern zusammengewürfelt, die sie noch gar nicht kannten. Jedes Kind stand vor der Herausforderung, seinen Platz in der Gemeinschaft zu finden und auch neue Freundschaften zu schließen. In den ersten Wochen erzählten meine Kinder noch viel von ihren Kindergartenfreunden und ich merkte, wie sehr sie ihnen fehlten. Daher verbrachten wir die meisten Wochenenden mit Besuchen, um ein wenig Vertrautes anzubieten. Ein wenig Normalität in einen neuen Lebensabschnitt.
- Sie erlebten einen neuen Tagesablauf, bei dem das freie Spiel stark eingeschränkt wurde. Das Lernen, Erarbeiten von Zahlen und Buchstaben, das Leben, das Malen standen im Mittelpunkt – und damit wurde ihnen viel mehr Konzentration und Aufmerksamkeit abverlangt, als das noch im Kindergarten der Fall war. Dazu kamen dann noch Wochenpläne, selbstorganisiertes Arbeiten und das Einschätzen der eigenen Fähigkeiten.
- Sie merkten, dass ihre Leistungen unter Beobachtung standen – es war nun nicht mehr egal, ob das „E“ in die falsche Richtung geschrieben wurde. Sie mussten nun Aufgaben erfüllen und Leistungen erbringen, die ihnen vielleicht nicht so wichtig waren.
- Plötzlich war es nicht mehr egal, welches Motiv sich auf dem T-Shirt befindet oder welche Farbe die Jacke hat. Es wurde geschaut, was andere Kinder haben und es begann die Zeit der großen Wünsche: Manche Wünsche waren schon sehr ausgefallen – so sollte es eine knallgelbe Glockenhose sein. Die habe ich dann auch gerne genäht.
Die Sache mit den Wünschen hatte es in sich: Noch nie in ihrem Leben wurden die Kinder so oft mit neuen Spielsachen konfrontiert wie in den ersten Schulwochen. Noch nie im Leben habe ich so oft gehört „Mama, ich hätte so gerne….“. Waren die Kindergartenfreunde (und deren Eltern) doch mit unseren Werten vergleichbar (ein wenig sucht man sie sich ja auch aus), entstanden nun Freundschaften mit Kindern, deren Familien vielleicht ganz anders waren. Wir haben uns immer bemüht zu erfragen, ob hinter ihrem Wunsch ein Bedürfnis steckt oder ob es einfach nur darum geht, das zu haben, was andere haben. Wünsche wie ein Freundebuch, besondere Glitzerstifte oder Tattoostifte haben wir gerne erfüllt. Manche Wünsche waren so gegen unsere Werte und Vorstellungen, dass wir darüber länger gesprochen und erklärt haben, warum wir dem nun nicht zustimmen können.
Wenn alles hinterfragt wird
Unsere Kinder wurden mit Sachen konfrontiert, die sie bisher nicht kannten. Es waren aber nicht nur die anderen Spielsachen, sondern auch die anderen Werte, die sie nun kennenlernten. Ich hatte das Gefühl, sie haben ihr Nest verlassen.
Unsere Kinder begannen plötzlich, unsere Ansichten, Werte und Erziehung zu hinterfragen. Unterschiede zu anderen Familien nahmen sie bewusst wahr und wollten von uns wissen, warum es uns z.B. wichtig ist, dass wir Zeit im Wald verbringen, statt ins Kino zu gehen oder warum alle ihre Freunde auch unter der Woche bei einander übernachten dürfen und nicht nur am Wochenende. Warum wir vorwiegend Second-Hand-Kleidung vom Flohmarkt kaufen oder selber nähen und warum wir in der Früh ein warmes Frühstück essen. Warum wir minimalistisch Leben (zumindest bemühen wir uns) und kaum Plastikspielzeug haben. Warum wir regelmäßig unsere Zimmer ausmisten und dann spenden. Warum wir Obst und Gemüse selbst anbauen oder nur in Bio-Qualität essen? Warum, warum, warum.
Ähnlich wie Susanne hatte ich oft Angst, sie würden unsere Werte und was für wichtig erachtet haben, zurückweisen. Wie würde ich mich verhalten, wenn sie nun ganz neue Wertvorstellungen entwickeln? Nehme ich meinen Kindern nicht wertvolle Erfahrungen, wenn ich sie keine neuen Werte und Möglichkeiten entdecken lasse? Möchte ich nicht, dass sie lernen kritisch zu denken, zu hinterfragen und für ihre Meinung einzustehen? Wenn ich mir von meinen Kindern wünsche tolerant zu sein, dann sollte ich doch mit gutem Beispiel voran gehen und neuen Dingen aufgeschlossen sein, oder? Wo sind meine Grenzen? Und wann kann ich nicht mehr tolerant sein?
Vom Vertrauen in die Kinder
Es gab viele Situationen in denen es mir nicht leicht gefallen ist, darauf zu vertrauen, dass sie ihren Weg schon machen. Mir machten weder die ersten Anzeichen einer Rebellion gegen uns als Eltern Sorgen, noch die Tatsache, dass wir viel erklären mussten, warum wir uns etwa für Flüchtlinge einsetzen oder wir zu Hause kein Fleisch essen. Das sehe ich auch als meine Aufgabe als Mutter und nehme die Herausforderung gerne an. Um kritisch denken zu können, muss man erst auch mal verstehen.
Im zweiten Schuljahr wurde ich lockerer und habe erlebt, dass unsere Kinder stark genug sind, sich für die Dinge, die ihnen wichtig sind, einzusetzen und dahinter zu stehen: Ob es nun die knallgelbe Glockenhose ist, die Second-Hand-Kleidung, die übertragenen Stiefel von der Schwester oder die Tatsache, dass es bei uns zu Hause kein Fleisch gibt. Ich vertraue ihne und ich vertraue darauf, dass unsere Basis sie gestärkt hat und auch weiterhin begleiten wird. Auch, wenn ein Teil ihres Lebens und ihres Alltags sich nun außerhalb unserer Familie abspielt und wenn Freunde eine immer größere Rolle einnehmen, können wir darauf vertrauen, dass die ersten intensiven Jahre eine gute Vorbereitung für sie waren. Heute merke ich, sie sind wieder im Gleichgewicht mit sich selbst und stehen für Dinge ein, die ihnen wichtig sind. Sie merkten, dass sie nicht so sein müssen wie die anderen, um einen Platz in der Gemeinschaft zu finden. Verbundenheit mit anderen bedeutet nicht, sie zu kopieren oder so zu sein, wie die anderen.
Das ganze Hinterfragen hatte auch etwas Positives: Wir als Familie wurden uns noch bewusster, was uns wichtig ist und was uns ausmacht. Ja, tatsächlich haben wir manche unserer „Werte“ über Bord geworfen, weil es eben keine Begründung dafür gab außer: Das tut man eben. Wir sind uns näher gekommen und auf diese Bindung können wir vertrauen und bauen.