Wie sich die Angst um das eigene Kind anfühlt

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„Mama, ich habe Angst“ – ein Satz, der wohl jeder Mutter unter die Haut geht. Ein Satz, den ich nie von meinem Kind hören wollte. Mein Kind sollte doch nicht Angst haben, sondern eine unbeschwerte Kindheit genießen. Oder?

Dabei hat doch alles so gut begonnen: 40 Wochen lang habe ich dich geschützt in meinem Körper getragen und ich wusste, es kann dir nichts passieren. Ich habe auf mich achtgegeben und auf dich aufgepasst. Du warst gut bei mir aufgehoben. Ich spürte, was du gerne mochtest, wenn es dir zu viel war und ich kann mich heute noch an deine ersten Tritte erinnern. Fast glaube ich, sie noch nachfühlen zu können. Ein sehr intensiver und besonderer Moment nicht nur zu wissen und am Ultraschallbild zu sehen, dass du in meinem Körper heranwächst, sondern auch, dich zu spüren und bewusst wahrzunehmen. Ja, du bist da. Mein Kind. Ich kenne dich, ich kenne jeden Zentimeter deines Körpers: Deine Muttermale, deinen kleinen Leberfleck, deine Sommersprossen, deine Füße, deine Beine, deine Arme, deine Hände, dein Gesicht. Ich sehe in dein Gesicht und weiß, wie du dich fühlst: Ob du glücklich bist, ob dich etwas bedrückt, ob du ehrfürchtig bist oder ob es dir nicht gut geht. In deinem Gesicht kann ich so viel ablesen – kleine Veränderungen bemerke ich sofort. Vom ersten Tag an hat mir dein Gesicht immer verraten, wie es dir geht und was du fühlst. Ob du dich gefreut hast, ob du erstaunt warst, neugierig oder ein wenig verängstigt. Vor allem deine Augen. Es ist so, als könnte ich durch sie in dich sehen. Du hast mir immer gezeigt und immer mit mir kommuniziert. Wir sind ein eingespieltes Team. Wir sind miteinander eng verbunden, sowie damals, als du noch in meiner schützenden Gebärmutter warst. Wir sind uns sehr nahe.
Doch mir war auch klar, dass ich dich nicht ewig vor allen Sorgen, Leid, Krankheit und Ängsten schützen kann. Was ich dir aber versprechen kann ist, dass ich dir immer beistehe und für dich da bin. In guten wie in schlechten Zeiten – das gilt in jeder Beziehung, nicht nur in einer Ehe oder Partnerschaft. Mein Kind ist mein Partner, mein Partnerkind. Ich habe für dich eine Verantwortung übernommen und dir zugesagt, immer für dich da zu sein. Kurz nach deiner Geburt haben wir dich in unserer Familie begrüßt und dir versprochen, immer für dich zu sorgen. Egal, was passiert. Das war leicht gesagt. Damals wussten wir nur nicht, wie schwer die Sorgen und Ängste um das eigene Kind zu ertragen sind. Wir konnten es uns nicht einmal annähernd vorstellen, wie schwer es wird, diese Hilflosigkeit auszuhalten und dennoch für dich stark zu sein. Und wie groß diese Liebe sein kann, die wir für dich empfinden. Denn du brauchst uns jetzt.
So schwer es für mich auch zu ertragen ist, die Angst und Verunsicherung in deinem Gesicht zu sehen, ich bin für dich da. Zu spüren, wie du ganz fest meine Hand drückst, Nähe und Schutz bei mir suchst. Diese Hände, die so viel Liebe und Zärtlichkeit geben können, zittern und sind leicht verschwitzt. Auch du spürst, dass es ernst ist. Du bist nicht mehr klein, du verstehst schon ein großes Stück der Welt und weißt, was um dich herum passiert. Oder eben auch nicht. Ich gebe dir meine Hand, ich drücke zurück, ich berühre dich, um dir vielleicht ein wenig Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Wenn du in mein Gesicht schaust, dann siehst du ebenso Verunsicherung und Angst. Ich kann nicht lächeln und tun als wäre nichts, während wir auf die Ergebnisse des Tests warten. Bange Minuten, die uns endlos erscheinen. Ich würde dir am liebsten deine Sorgen abnehmen, aber das kann ich nicht. Es sind genauso meine Sorgen. Sorgen, dass es dir nicht gut geht, dass du ernsthaft krank bist und dass ich so hilflos neben dir stehen muss. Und nichts tun kann. Wie gerne würde ich etwas tun, damit deine Welt wieder in Ordnung ist. Ich kann in manchen Situationen nicht mehr tun, als für dich da sein. „Mama, ich habe Angst.“ – „Ja, ich weiß. Ich auch.“ Und ich könnte im selben Moment heulen, weil ich mir einfach nur wünschen würde, du wärst wieder so behütet und sicher, wie damals in meiner Gebärmutter. Eine Träne kullert meine Wange entlang und ich höre dich flüstern: „Wir schaffen das, Mama!“.

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