Hochsensibles Kind: Tipps für den Urlaub

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Es kommt mehr darauf an, wie du kommst, als wohin du reisest; deshalb sollten wir unser Herz nicht einem bestimmten Ort verschreiben. Es gilt die Einsicht zum Lebensgrundsatz zu machen, dass man nicht für einen einzelnen Winkel geboren ist, sondern dass die ganze Welt unser Vaterland ist.
Seneca (1. Jh. n.Chr.)

Hochsensible Menschen sind besonders unterwegs stark gefordert, weil sie ihren gewohnten, geschützten Raum verlassen und sich auf viele neue Einflüsse einstellen müssen. Da ist für einen hochsensiblen Menschen Stress vorprogrammiert. So auch, wenn du mit einem hochsensiblen Kind reist. Viele von uns können nicht ohne ihren Polster auf Urlaub fahren und behalten auch dann ihren gewohnten Rhythmus bei, weil ihnen das Vertraute Geborgenheit spendet. Die gewohnte Umgebung fungiert sonst im Alltag wie eine schützende Hülle, in der sich hochsensible Menschen gerne zurückziehen und es so schaffen, sich gegen die Reize von außen abzuschirmen. Auf Reisen oder im Urlaub fällt dieser Schutz weg und sie müssen lernen, sich gut zu organisieren und auf sich zu achten.

Vorbereitung auf den Urlaub mit einem hochsensiblen Kind

Meine Tochter ist hochsensibel. Anfangs konnte ich mit ihrer besonderen Gabe nicht umgehen, weil ich sie nicht erkannte. Sie war ein Sonderling, der immer mehr Ruhe, mehr Rückzug, mehr Schutz und mehr Nähe brauchte als meine anderen Kinder. Erst als ich durch Zufall mit dem Thema Hochsensibilität in Berührung kam war mir klar, meine Tochter hat ein wundervolles Geschenk mitgebracht. Ihr Geschenk bedeutet aber auch, dass ich in vielen Situationen besonders auf sie Rücksicht nehmen muss: Bei jedem Ausflug, bei jeder Veränderung der normalen Routine, bei allen Ausnahmen von Absprachen – es sind die vielen kleinen Situationen, die sie überfordern. Was im Alltag meist gut klappt, erfordert im Urlaub viel Fingerspitzengefühl, denn ihre Reaktionen sind nicht planbar. Ich musste mich in erster Linie vom „Müssen“ verabschieden und habe gelernt, ohne Erwartungen auf Urlaub zu fahren. Ich habe zwar Ideen im Kopf was wir machen könnten, welche Ausflugsziele es gibt und was ich gerne sehen würde, aber ich plane nichts mehr. Meine oftmals zu hohen Erwartungen und Vorstellungen lösten bei ihr eine Überforderung aus.

Dazu passend habe ich ein Zitat gefunden, das mich zum Nachdenken brachte:

„…Ferien sind etwas Erholsames und Beglückendes. Wenn wir uns aber leiten lassen vom „Diktat des Müssens“ werden sie zum Fiasko. Der Imperativ, der Ferien zum Stress und den Menschen zum Sklaven macht, könnte etwa so lauten:
„Du musst die Ferien vom ersten Tag an genießen, du musst Sonne und Meer immer und jederzeit als etwas Erholsames empfinden, du musst glücklich sein und dich erholen können, es muss dir einfach gut gehen, du musst auftanken fürs ganze Jahr, jetzt oder nie hast du die Chance dazu, du musst ein anderer Mensch sein in den Ferien, du musst alles nachholen, was du während des vergangenen Jahrs verpasst hast, und dich rüsten für die trockene und unmenschliche Zeit, die nachher kommen wird, sonst … ja sonst liegt es an dir, dann bist du unfähig, zu genießen, loszulassen und dich zu entspannen, dann darfst du dich nicht beklagen, dann bist du daneben, dann stimmt etwas mit dir nicht…“ (Josef Giger-Bütler)

Als Familie haben wir gelernt, auf Reisen mit einem hochsensiblen Kind unser Tempo anzupassen und genau hinzuschauen, was wir brauchen und vor allem, was sie braucht, was ihr gut tut.

reisen-hochsensibel-kindAuch wenn sich meine Tochter auf den Urlaub freut und sie gut darauf vorbereitet ist, je näher das Datum rückt, desto mehr gerät sie unter Stress, gerät ins Ungleichgewicht und ist spürbar nicht bei sich. Sie wird weinerlicher, sie ist dann schneller gereizt, sie ist sehr empfindsam, sehr unruhig, schläft schlecht, spricht mit ihrer ohnehin schon leisen Stimme noch sanfter, ruht viel in sich und zieht sich gerne zurück. Ein Urlaub oder eine Reise sind für ein hochsensibles Kind eine große Herausforderung und es verlangt viel Mut, sich auf eine komplett neue Umgebung und neuen Lebensrhythmus einzulassen. Sie sagt selber oft, dass sie nur zu Hause so richtig gut entspannen kann. Urlaub ist für sie ein großer Stressfaktor und den Anstrengungen ist sie oft nicht gewachsen.

Das HSP-Survival-Package

Es gibt etwas, das meine Tochter nicht nur in jedem Urlaub mitnimmt, sondern auch, wenn es eine Lesenacht in der Schule gibt, sie auf Projektwoche fährt oder ein Wochenende bei den Großeltern schläft: Ihr HSP-Survival-Package. Und das ist drinnen:

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1: Alpina Mädchen Sportbrille Flexxy
2: Ohropax Mini Soft, 10 St
3: Schlafmaske Froschkönig
4: Mini-Ventilator
5: Kopfhörer für Kinder oder Erwachsene
6: Die verzauberte Reise: Ein magisches Malbuch

Tipps für den Urlaub mit einem hochsensiblen Kind

  • Schaut euch schon vor der Reise Bilder vom Hotel, vom Zimmer, vom Strand, vom Pool, etc. an, damit dein Kind schon vorbereitet ist und eine Vorstellung von dem kommt, was es erwartet. Meiner Tochter ist dieser Schritt immer besonders wichtig, denn sie kann gar nicht damit umgehen, wenn sie nicht weiß, was sie erwartet. Sie braucht eine Vorstellung davon.
  • Wähle eine stressfreie Anreise: Wenn es im Auto zu stressig ist, dann schau, ob du mit der Bahn fahren kannst oder gibt es die Möglichkeit zu fliegen? Hier mag jeder Mensch etwas anderes. Ich bin schon oft mit ihr in der Bahn gefahren, während der Rest der Familie mit dem Auto verreiste und wir haben uns dann am Bahnhof getroffen.
  • Das HSP-Survival-Package ist immer dabei und ein wichtiger Begleiter.
  • Gib deinem Kind Zeit sich zu erholen, Zeit anzukommen. Ihr müsst nicht gleich nach dem Einchecken den Strand besichtigen – zuerst einmal das Zimmer anschauen, in Ruhe ausräumen, ein wenig Zeit zum Entspannen einplanen und dann kann einmal die nähere Umgebung langsam erkundet werden.
  • Für meine Tochter ist es wichtig, dass sie ihren Rhythmus beibehalten kann – eine Änderung braucht Zeit und kann nur in kleinen Schritten erfolgen. So ist es für uns undenkbar das Kind mit einem Babyphone am Zimmer niederzulegen und anschließend noch in die Bar zu gehen. Das überfordert sie. Es ist aber auch nicht möglich, sie abends noch mitzunehmen, weil sie das lange Aufbleiben aus dem Gleichgewicht bringt. Die einzige Möglichkeit, die wir haben: Schritt für Schritt das Schlafengehen nach hinten verschieben und schauen, wie sie darauf reagiert.
  • Ich mag Städtereisen ja sehr und liebe es, mir Sehenswürdigkeiten anzusehen. Mit einem hochsensiblen Kind geht das aber nicht wie ich feststellen musste. Sie ist damit überfordert und kommt nicht damit zurecht, wenn zu viele neue Eindrücke auf sie einprasseln. Also: Du musst nicht jede Sehenswürdigkeit sehen. Informiert euch schon im Vorfeld, was es zu sehen gibt und was du gerne sehen möchtest bzw. was dein Kind interessiert.
  • Oft läuft meine Tochter mit Kopfhörern herum: Ob am Spielplatz, im Restaurant, im Zug – immer dann, wenn es ihr zu viel wird, nimmt sie sich ihre Kopfhörer und schirmt sich so von der Außenwelt ab. Daher dürfen diese auch im Urlaub nicht fehlen. Je weniger Geräusche sie verarbeiten muss, desto besser fühlt sie sich.
  • Vermeide große Menschenansammlungen oder Freizeitparks. Damit kommt sie nur zurecht, wenn wir schon mehrmals für kurze Zeiträume dort waren. Ich bleibe dann immer mit ihr im gewohnten Umfeld, während der Rest der Familie den Freizeitpark erkundet.
  • Vermeide Touren in der Gruppe, weil du dann nicht auf die Bedürfnisse deines Kindes eingehen kannst. Plane deine Route selber und erkunde die Gegend auf eigene Faust. So kannst du jederzeit eine Pause einlegen, durchschnaufen und an einem Ort verweilen.
  • Wenn du eine Rundreise machst, dann plane ein, dass du immer ein paar Tage an einem Ort bleibst und nicht jeden Tag ein anderes Ziel ansteuerst. Ein hochsensibles Kind kommt mit diesen schnellen Veränderungen und wechselnden Umgebungen nicht zurecht.
  • Sei darauf eingestellt, dass dein Kind dennoch schlechte Tage haben wird, egal wie vorsichtig und sorgsam du bist und im Vorfeld den Urlaub geplant hast.
  • Der Körper lügt nicht: Ich kann mich an keinen Urlaub erinnern, an dem meine Tochter nicht für mindestens einen Tag mit Fieber im Bett lag. Sie war nicht krank, sie war überfordert und das trotz einer sorgfältigen Planung und einem achtsamen Umgang mit ihrer Gabe. Irgendwann brach dann die ganze Überreizung und Überforderung über sie und sie verbrachte die Zeit schlafend im Bett.

Du musst nicht mit anderen Leuten mithalten. Fürs Reisen gibt es keine Regeln. Der Urlaub sollte eine Zeit sein, in der alle Familienmitglieder sich wohlfühlen und entspannen können.

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