Brustschimpfphase – gibt es die wirklich?

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Hallo liebes Team,

ich habe letztens von der Brustschimpfphase gelesen. Gibt es so etwas wirklich? Woran merke ich, dass mein Baby in der Brustschimpfphase ist?

Danke, liebe Grüße Kerstin

 

Liebe Kerstin,

danke für deine Frage. Das ist eine sehr interessante Frage, auf die ich gerne ausführlicher eingehen möchte.

Viele Mütter, aber auch Experten, sprechen von einer Brustschimpfphase und davon, dass ein Baby eine solche Phase haben kann. Doch Erfahrungen von Stillberaterinnen zeigen, dass das Weinen an der Brust immer einen Grund hat, dem nachgegangen werden muss, damit die Stillbeziehung nicht in einer Negativspirale endet oder frühzeitig beendet wird. Die Brustschimpfphase scheint jedoch eine einfache Erklärungsmöglichkeit für viele Mütter zu sein, wenn das Baby die Brust nicht nimmt. Sobald es einen „Namen“ für diese Phase gibt, fühlen sich viele Mütter schon wohler oder sicherer mit dem Gefühl, dass es dann ein normaler Teil der Entwicklung sei.

 

Woher kommt der Begriff Brustschimpfphase?

Der Begriff geht auf die österreich-englische Psychoanalytikerin Melanie Klein (1882-1960) zurück. Ihre Theorien waren keineswegs wissenschaftlich belegt, sondern er Erfahrungen und Beobachtungen, die sie mit ihren drei Kindern gesammelt hatte. 1919 präsentierte sie die Beobachtungen über das Spielverhalten ihres Sohnes Erich seit seinem zweiten Geburtstag der Ungarischen Gesellschaft für Psychoanalyse als „Kinderanalyse“. Ihre Theorien wurden jedoch von anderen Psychoanalytikern stark kritisiert und angezweifelt.

Eine ihrer Theorien beruht auf der Annahme, dass Babys sich von Geburt an auf Objekte beziehen – das erste Objekt ist die Brust, die es in „gut“ und „böse“ einteilt. Babys hätten ihren Annahmen nach unbewusste aggressive Phantasien, dass sie die Brust zerstören wollen, aber auch den sadistischen Wunsch, in den Körper der Mutter einzudringen und ihn zu kontrollieren.

„In seinen Zerstörungsphantasien beißt, zerreißt, verschlingt und vernichtet es die Brust, aber es fühlt, dass die Brust es in derselben Weise angreift.“ (Das Seelenleben des Kleinkindes und andere Beiträge zur Psychoanalyse, 1932, S. 148).

Aber:  Für die Brustschimpfphase gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Es ist auch keine normale Erscheinung der Entwicklung, denn sonst müsste auch jedes Baby diese Phase durchleben – dem ist aber nicht so. Es ist ein Terminus, der gerne weitergegeben wird, wenn ein Baby die Brust anschreit, die Brust nicht mehr nimmt oder sehr unruhig ist. Er dient mehr der Beruhigung der Mütter, die durch die Schwierigkeiten beim Stillen plötzlich verunsichert sind. Meist um die 6. Woche und die 12. Woche tritt eine Brustschimpfphase auf, weil Babys in diesem Alter große Entwicklungssprünge machen.

Wie erkenne ich einen Stillstreik oder die Brustschimpfphase?

  • Das Baby lehnt die Brust ab
  • Es verweigert unter Weinen und mit Unruhe an der Brust zu trinken
  • Es weint, wenn es angefangen hat zu trinken oder direkt danach
  • Das Baby stößt sich von der Brust weg, es sucht, trinkt, schreit wieder, lässt wieder los, weint, sucht……
  • Das Baby wirkt unausgeglichen, erschöpft und unzufrieden

Statt zu hinterfragen, warum das Baby an der Brust schreit, wird es mit „ach, das ist die Brustschimpfphase“ abgetan – so, als wäre es „normal“ und ein Teil der Entwicklung, wo man eben durchmuss. Es wird schon wieder vorbeigehen.

Doch es hat meist einen Grund, warum das Baby an der Brust weint: Vielleicht weil zu viel Milch auf einmal kommt oder weil der Milchfluss nicht in Gang kommt, aber auch Ohrenschmerzen, Zahnungsschmerzen, ein Stillstreik oder Bindungsstörungen können ein Grund sein. Statt das Weinen an der Brust zu bagatellisieren ist es wichtig, den Grund zu finden und dann zu versuchen, das „Problem“ zu lösen.

 

Was genau das Problem ist, kann eine Stillberaterin vor Ort herausfinden, wenn sie Mutter und Kind beim Stillen sieht. Dennoch reagieren viele Eltern verunsichert, wenn das Kind plötzlich die Brust nicht mehr nimmt oder nach dem stillen noch weint. Das ist ganz klar, denn diese Situation ist neu – für beide. Doch auch irgendwo logisch, denn mit 3-4 Monaten hat das kindliche Gehirn ein neues Entwicklungsstadium erreicht: Es nimmt akustisch und visuell mehr war, es beginnt Laute nachzuformen, die Mimik nachzuahmen und auch die ersten motorischen Entwicklungsschritte setzen ein. Das ist anstrengend und kann das Baby verunsichern. Wenn das Baby dann jedoch an der Brust schimpft und weint glauben viele Mütter, dass sie zu wenig Milch haben und ihr Baby nicht mehr satt wird. Ein Stillstreik ist jedoch kein Grund abzustillen. Wenn du dein Baby nach Bedarf stillst, es genügend volle Windeln produziert und gut zunimmt, dann musst du dir keine Sorgen machen, dass deine Milch nicht ausreicht.

Die Natur hat es so clever eingerichtet, dass deine Milch reicht – solange dein Baby an der Brust saugt und die Milchbildung anregt, wird deine Milch auch genügen. Es ist nur manchmal so, dass dein Baby mehr Hunger hat – dann will es öfters an die Brust. Mit etwa 3 Monaten wirst du feststellen, dass deine Brust weicher ist – keine Sorge, die Milch ist nicht weg. Deine Brust hat sich nur an das Stillen gewöhnt und den Milchbedarf angepasst, sodass das Spannungsgefühl weg ist. Immerhin bist du bei der Geburt darauf ausgelegt, Mehrlinge voll ernähren zu können! Bis ihr euch beide aufeinander eingespielt habt, dauert es einfach ein bisschen. Mit der Umstellung der Brust ändert sich aber auch der Milchfluss, der dann nicht mehr so schnell wie bisher in Gang kommt. Das kann dein Baby frustrieren, denn es muss jetzt lernen, ein paar Mal kräftig zu saugen, bevor die erste Milch kommt.

 

Was erleichtert die Brustschimpfphase?

  • Am besten ist es, wenn du dein Baby in ein Tragetuch packst und es Bauch an Bauch trägst. So bekommt dein Baby die Möglichkeit, sich von den äußeren Reizen abzuschirmen, wenn es ihm zu viel wird. Die Nähe, die Wärme und dein Geruch vermitteln deinem Baby Sicherheit und Geborgenheit – und genau das braucht es in den schwierigen Zeiten. Signalisiere deinem Baby, dass du es auch in schwierigen Zeiten begleiten und unterstützen wirst, so gut du nur kannst. Diese Zeit gemeinsam durchzustehen fördert auch die Resilienz!
  • Ein guter Trick ist auch, dass du dein Baby kurz bevor es einschläft an die Brust führst. So befindet es sich bereits in einem ausgeglichenen und ruhigen Zustand, der es ihm dann einfacher macht, die Brust anzunehmen.
  • Auch das Stillen im Liegen in einem abgedunkelten Zimmer kann die Stillbeziehung unterstützen.
  • Wechsle auch öfters die Stillposition!
  • Bewahre Ruhe, bleib bei dir und interpretiere das Verhalten deines Babys nicht gegen dich. Es lehnt dich nicht ab und auch deine Milch ist nicht zu wenig.

Ein Stillstreik kann bis zu zwei Tagen andauern und sogar so weit führen, dass das Baby das Stillen untertags komplett ablehnt. Dafür wird es nachts besser klappen, weil weniger Reize auf dein Baby einprasseln.

Es ist nicht notwendig, dass du deinem Baby zusätzliche Flüssigkeit anbietest – die Natur hat es so eingerichtet, dass dein Baby auch für solche Phasen gut gerüstet ist. Nehmt euch in dieser Phase Zeit füreinander, kuschelt euch ins Bett, achte auf eine reizarme Umgebung und haltet durch!

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